»Ich habe die Rieß um eine Ausstellung ihrer Fotografien gebeten, weil sie mit Objektiv und Gummiball Kunst macht«, schreibt Alfred Flechtheim 1925 im Katalog zur Ausstellung ihrer Portraits in seiner Galerie. Dass einer der tonangebenden Kunsthändler in Berlin Fotografien zeigt, mag für seine Zeit überraschen, dass er von Fotografien als Kunst spricht, lässt aufhorchen. Und Flechtheim war auch nicht der einzige, der die Portraits der Frieda Riess so einschätzte. Wilhelm von Bode, Generaldirektor der staatlichen Berliner Kunstsammlungen, sprach von »wirklichen Kunstwerken« und der Arzt und Dichter Gottfried Benn schrieb eigens für den Ausstellungskatalog ein Gedicht über »Die Iche« hinter den Gesichtern, über die »Züge des Nichts« der Portraitierten. »Die Riess« - wie sie von den Zeitgenossen genannt wurde - war zu ihrer Zeit allseits hoch gelobt. Die Internationalität ihrer Klientel machte sie weit über Berlins Grenzen hinaus bekannt - schließlich hatte sie es verstanden, sich einen Fototermin bei Hindenburg und auch bei Mussolini zu beschaffen und galt in der Künstlerszene als »die beste Fotografin Berlins« (Thea Sternheim). Die aus einer jüdischen Kaufmannsfamilie stammende Frieda Riess (1890-1955) führte nach dem Ersten Weltkrieg ein repräsentatives Porträtatelier am Kurfürstendamm. Theaterleute, Künstler und Schriftsteller, Tänzerinnen und Varieté-Stars, aber auch der internationale Adel und Vertreter der neuen Diplomatie gehörten zu ihren Kunden. Zum ersten Mal, seit sie 1932 Berlin verließ, gibt der retrospektive Band Einblick in das Werk zu Unrecht weithin vergessenen Gesellschaftsfotografin. (Text dt., engl.)