Zu Beginn des viktorianischen Zeitalters unternahm Anna Atkins in ihrem Freiluftlabor in Halstead, Kent, ein radikales Experiment, um botanische Arten mit einem völlig neuen künstlerischen Medium zu dokumentieren. Die unnachahmlichen Cyanotypie-Fotogramme von Algen und Farnen, die sie anfertigte, wurden zu den ersten Büchern mit fotografischen Abbildungen verarbeitet. Diese beeindruckenden und zugleich ätherischen Alben sind eine perfekte Synthese aus Kunst und Wissenschaft. Obwohl die Cyanotypie-Technik von ihrem Freund John Herschel entdeckt wurde, war Atkins die erste, die sowohl ihren praktischen Nutzen für ihre botanischen und taxonomischen Interessen als auch ihr faszinierendes künstlerisches Potenzial erkannte. Bei diesem Verfahren, bei dem das Objekt auf sensibilisiertem Papier fixiert und direkt dem Sonnenlicht ausgesetzt wird, entsteht das preußischblaue Pigment, das den unverwechselbaren Hintergrund dieser Kunstwerke bildet. Atkins« Alben British Algae (1843-1853) und Cyanotypes of British and Foreign Ferns (1853), die sie zusammen mit ihrer Freundin Anne Dixon anfertigte, sind Werke von bemerkenswerter Seltenheit. Sie werden hier zum ersten Mal in ihrer Gesamtheit abgedruckt und zeigen, dass sie mehrere Disziplinen beherrschte: Während das Cyanotypie-Verfahren es Atkins ermöglichte, die Herausforderungen einer akkuraten Darstellung zu meistern, verliehen die zarten Konturen der Exemplare vor dem intensiv blauen Hintergrund den Bildern einen zeitlosen ästhetischen Reiz. In dieser Ausgabe wurden Cyanotypien aus verschiedenen Quellen sorgfältig zusammengestellt, um Atkins« bahnbrechende Werke vollständig abzudrucken. Dabei wurde weitgehend auf die Kopien der New York Public Library und des J. Paul Getty Museums zurückgegriffen. Die über 550 Cyanotypien werden von einer Reihe einführender Essays von Peter Walther begleitet, die Atkins« Werk in den wissenschaftlichen und kunsthistorischen Kontext einordnen und die bahnbrechenden Beiträge einer Pionierin würdigen. (Text dt., engl., franz.)