Kreuzberg steht seit Jahrzehnten synonym für Bohème, Gastarbeiter- und Aussteigerdomizil, Abrisspolitik und Hausbesetzungen, Krawalle am 1. Mai, Off-Kultur, zuletzt für Proteste gegen Immobilienspekulation und Verdrängung der Alteingesessenen aus ihren Kiezen. Der exzellente Kreuzberg-Kenner Jürgen Enkemann konzentriert sich in seiner materialreichen Darstellung auf Kreuzberg als das »andere Berlin«, auf die hier besonders ausgeprägte Alternativität und Protestkultur sowie den besonderen multikulturellen Mix von Bewohnerinnen und Bewohnern. Er schlägt einen Bogen von der Gründung des südlich des älteren Berlins gelegenen Stadtraums als eigenem Berliner Verwaltungsbezirk (1920) über die Herausbildung des alternativen Milieus und damit des »Mythos Kreuzberg« in den 1960er-Jahren bis heute, wo Immobilienspekulation und Gentrifizierung gerade das alternative Milieu wieder vor neue Herausforderungen stellen.