Der Autor umreißt den Kunstbegriff Alfred Lichtwarks vor dem Hintergrund der problematischen Übergangszeit, in der sich die deutsche Kunst nach der Lösung von der nachklassischen Ästhetik auf dem Weg zur Moderne befand. Neben den Veröffentlichungen des Hamburger Kunsthallendirektors werden zahlreiche, bisher ungedruckte Briefe herangezogen, die den weitgespannten Bogen des Lichtwarkschen Kunstbegriffes deutlich werden lassen. Lichtwark setzte sich vor allem mit der Fähigkeit, Kunstwerke richtig zu betrachten, auseinander; dieser »neuen Art zu sehen« ist seine Wiederentdeckung Ph.O.Runges zu verdanken. In der Architektur bekämpft Lichtwark das Übergewicht der Fassade gegenüber dem Raumgebilde, der Nutzbau dient ihm als besonders anschauliches Modell. Die vor der Jahrhundertwende entstehende Reformbewegung in der Kunsterziehung bindet er an die Aufgaben der Kunsthalle. Der richtige Umgang mit dem Kunstwerk war einer der Schwerpunkte in Lichtwarks kunsttheoretischem Schaffen; Selbsterziehung, Auflösung des angelesenen Wissens und eine bewußte Ausbildung der Sinne sollten zu einer neuen Betrachtungsweise führen.