Kritiker wie Giorgio Vasari und John Ruskin interpretierten Tintorettos Widerstand gegen die künstlerische Praxis seiner Zeit als einen Aspekt persönlicher Exzentrik oder Spiritualität. Jean-Paul Sartre sah den Maler als »den Sohn eines Partisanen (...), der die Ästhetik der Beständigkeit bei den Patriziern angriff». Diese allzu sehr vereinfachte, ahistorische Interpretation deutet an, dass Tom Nichols Neubewertung von Tintorettos Rolle in der Kunstgeschichte schon lange überfällig war. Der aufwendig gestaltete Band über den Zyklus für die »Scuola di San Rocco« zeigt, dass der Künstler zwar eine moderne Einstellung zu Malerei und künstlerischer Methode anstrebte. Trotz ihrer Kultiviertheit und Originalität zielte sie dennoch in erster Linie darauf ab, die kollektiv geteilten Emotionen eines größtmöglichen Betrachterpublikums zur damaligen Zeit anzusprechen. (Text engl.)