Auf Adolph Menzels Gemälde »Atelierwand« sind sie versammelt: einzelne in Gips abgeformte Körperteile, Masken, Torsi, ein Arm. Das Gemälde der Hamburger Kunsthalle weist auf eine im 19. Jahrhundert weit verbreitete Technik: den Abguß nach der lebenden Natur. Auch wenn diese Technik sowohl im privaten Bereich als auch im öffentlichen Leben eine entscheidende Rolle spielte, rief ihre unmittelbare Nähe zur Natur bei den Zeitgenossen heftige Kritik hervor. So entbrannte um Rodins »Ehernes Zeitalter« ein Skandal, der den Vorwurf erhob, daß die lediglich vom lebenden Modell abgegossene Form kein Kunstwerk sei. Heute jedoch richtet sich der Blick darauf, daß die irritierende Nähe des Gipsgusses zur Realität surrealistische Wahrnehmungen vorweg nimmt und die Frage nach dem Verhältnis von Wirklichkeit und Abbild stellt. In dem kreideweißen, toten Material zeigen sich die Spuren einer lebendigen Wirklichkeit hautnah. Der Begleitband zur Ausstellung gibt zum ersten Mal einen umfassenden Einblick in die Bandbreite der lang unterschätzten Technik und erläutert an zahlreichen Beispielen der Geschichte die Verwendung und die Technik des Abgusses nach der Natur.