Rodins Hauptwerk »Der Kuss« gilt als Symbol, geradezu als eine Ikone für die Wiedergabe körperlicher, sinnlicher Liebe. Dem verbreiteten Bild von Rodin als »homme à femmes«, wie er zuweilen genannt wurde, wird in diesem Katalogband eine neue Betrachtung entgegengestellt, welche erstmals das Thema des Paares untersucht. Die Inspiration - unfassbar, intuitiv und häufig erotisch motiviert - stellt zugleich Versuchung und Gefährdung des Künstlers dar. Rodins Paar-Gruppen dienen ihm zur Selbsterforschung sowie zur Klärung seiner Vorstellung von Ursprung und Wirkungsmacht der Kunst. Auch sein Verhältnis zur Frau als Quelle der Inspiration entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als wesentlich vielschichtiger als bisher dargestellt. Ausgehend von der »Höllenpforte« mit den flankierenden Figuren Adams und Evas steht die eigenwillige Auseinandersetzung mit dem Kosmos von Dantes »Göttlicher Komödie« wie auch mit der Sündenfall-Thematik zu Beginn einer Anthologie unterschiedlichster Darstellungen von Liebespaaren, die nahezu das gesamte Werk des großen Bildhauers begleitet. Meditative wie ekstatische Zustände werden von Rodin beleuchtet und bildhauerisch sensibel umgesetzt. Das formale Anliegen, wie sich die beiden Pole des Menschseins begegnen, steht hierbei zunächst im Vordergrund. Sie erhalten aber erst in der konkreten Form des bearbeiteten Materials ihren spezifischen Sinngehalt. Der Band untersucht das Sujet des Paares auf ikonographischer wie formaler Ebene, so dass Reichtum und Entwicklung des Motivs sichtbar werden. Dadurch wird auch offenbar, wie das plastische Denken Rodins sich entwickelte und wie ihn der Reichtum an Variationen zweier Körper gefangen hielt.