In seinem bildhauerischen Werk hat Rodin mit fast allen Traditionen gebrochen, die seit Michelangelo für diese Gattung der Kunst verbindlich waren. Den entscheidenden Schritt in die Moderne volzog er jedoch in einem anderen Medium - und unter Ausschluß der Öffentlichkeit: Rodins erotische Aktstudien aus den letzten zwei Lebensjahrzehnten sind Zeugnisse einer ganz neuen, vom Zeitstil und von allen bis dahin gültigen Schönheitsidealen und Moralvorstellungen unabhängigen Kunstauffassung. Nur zögernd und in Form ausgesuchter Einzelbeispiele veröffentlicht, wurden die Zeichnungen zu ihrer Zeit als anstößig und »sittengefährdend« verurteilt; nur wenige erkannten ihrer revolutionäre künstlerische Qualität - neben Rilke zum Beispiel Paul Klee und Harry Graf Kessler, der ihre Ausstellung 1906 in Weimar mit seiner Entlassung als Leiter des Großherzoglichen Museums bezahlen musste. Der Band mit 107 aquarellierten und collagierten Blättern versammelt Werke aus den großen Museen der Welt, u.a. auch die der spektakulären Ausstellung in Weimar 1906.