»Unter den vielfältigen kultischen Praktiken der Pueblo-Indianer im Südwesten der Vereinigten Staaten war es besonders ein Schlangentanzritual, das Warburgs Gedanken noch Jahrzehnte später lebhaft einholte. Dieses Ritual mit eingefangenen Giftschlangen - ähnliches ist heute noch in bestimmten Regionen Indiens verbreitet - war im Grunde ein Vereinigungs- und Versöhnungsritual mit der numinosen Natur, gilt die Schlange doch in vielen Kulturen, anders als im jüdisch-christlichen Sündenfall-Mythos, als ein ausgesprochen mächtiges Symbol des Lebens und der Wiedergeburt, auch des Rätsels des Werdens in allem Vergehen. Die Schlange häutet sich und lebt als neues altes Wesen doch fort, sie zeigt, wie der Leib seine Haut verlassen und - gleichsam aus der leiblichen Hülle schlüpfend - wieder von neuem weiter dauert. Seit jeher steht die Schlange als Erdhöhlenbewohnerin im Mythos auch mit dem Seelenreich der Toten in unmittelbarer Verbindung. Den Stab des griechischen Heilgottes Asklepios umwindet, wie Warburg hervorhebt, eine Schlange, und im Asklepios-Heiligtum in Kos wurden, ganz ähnlich wie bei den Puebloindianern oder den indischen Schlangenfängern die Tiere kultisch gefüttert und verehrt.« (H. Jünger, Frankfurter Rundschau)