Seit 1932 war die russische Emigrantin Lydia Delectorskaya bei dem Henri Matisse als Assistentin beschäftigt, die sich um alle Belange rund um seine Kunst kümmerte. Sie leitete das Atelier, sie organisierte die Modelle, sie kümmerte sich um die Händler, die Verkäufer, die Galerie ... alles lief wie am Schnürchen« (Hilary Spurling). Im Jahr 1935 begann »Madame Lydia«, Henri Matisse täglich Modell zu sitzen. »Eines Tages setzte er sich mit einem Skizzenbuch unter dem Arm hin, und während ich dem Gespräch kaum Aufmerksamkeit schenkte, sprach er plötzlich zu mir: Beweg dich nicht! Und bald darauf bat mich Matisse, für ihn zu posieren. Er schlug sein Notizbuch auf und zeichnete mich in einer mir vertrauten Pose: Mein Kopf lag auf den überkreuzten Armen auf der Rückenlehne des Sitzes.« Diese ersten Skizzen dienten später als Grundlage für das Gemälde »Der Traum«. Drei ineinander verschobene Dreiecke bilden die Grundkomposition: Der Kopf, die angewinkelten Arme und die blau gemusterte Decke. Die Strenge dieser Bildanlage lockert der Maler auf, indem er die Tiefe des Bildraums verunklärt und dadurch das Motiv in Bewegung versetzt. Die Liegende ragt diagonal ins Bild. Das unbestimmt in die Tiefe fluchtende Sofa ist bildparallel gemalt. Während es auf der linken Seite flächig erscheint, zeigt es auf der rechten Seite einen Zug ins Bildinnere: ein geniales Spiel mit Fläche und Formen. Den Fleischton mischt Matisse mit weißen und grauen Tönen ab. Der Eindruck von leichten Schatten, der dadurch entsteht, modelliert die Oberfläche zu einer dreidimensionalen Figur. »Meine Modelle, menschliche Figuren, sind niemals Figuranten in einem Interieur. Sie sind das Hauptthema meiner Arbeit.« (Henri Matisse)