Der Leipziger Hauptbahnhof war in den 1970er Jahren ein uneingelöstes Versprechen auf Welt. Die Züge quietschten herzzerreißend, die Lautsprecheransagen verhallten im Nirwana der riesigen Bahnhofshalle. Es war ein einfacher, lauter, mechanischer Ort. Reisende und das Personal hatten sich in den unterschiedlichen Räumen des Ankommens und Abfahrens eingerichtet. In der Mitropa, wo das Geschirr selbst abgeräumt werden musste, versammelten sich sämtliche soziale Schichten - 24 Stunden lang. Die Zeit scheint auf den rund 80 Schwarz-Weiß-Fotografien von Helga Paris nicht voranzuschreiten. Man sieht nur selten jemanden nach einem Zug hasten. Uhren gibt es nicht. Alle warten: die Klofrau auf das Schichtende, die Lotterieverkäuferin auf den nächsten Glückssucher, die Rentnerin auf ihr Bier. Helga Paris’ Serie ist eine meisterhafte Milieustudie mit unverwechselbaren Charakteren gelungen - die Randfiguren bestimmen die Szenerie des unendlichen Wartesaals.