Als einen »Reiseführer durch Amerika in Zeiten der Gewalt, der Angst und der moralischen Krisen« bezeichnete die New York Times Joel Sternfelds photographische Dokumentation von Orten, die in der nahen und fernen Vergangenheit Schauplätze von Verbrechen und Gewaltakten waren. Es sind stille, unspektakuläre Bilder: Landschaften, Straßenzüge, Kreuzungen, Grünanlagen, die nichts mehr von dem meist blutigen Geschehen zeigen, noch ahnen lassen, was sich hier abgespielt hat. Frische Blumen an der Stelle im Rasen eines Klinikgeländes, wo ein Arzt zusammenbrach, tödlich getroffen von den Kugeln eines fanatischen Abtreibungsgegners; ein Kranz am Geländer des Balkons, auf dem Martin Luther King 1968 erschossen wurde - solche indirekten gleittexte klären darüber auf, daß es sich nicht um irgendwelche beliebigen Orte, sondern um Tatorte handelt. Es geht Sternfeld nicht um Sensationen. Seine Sammlung von scheinbar harmlosen, alltäglichen Szenerien, denen man ihre gewalttätige Geschichte nicht ansieht, will zum Nachdenken anregen - über die alltägliche Gewalt, über die Unzulänglichkeit unserer Wahrnehmung und die Leichtigkeit des Vergessens. Joel Sternfeld, 1944 in New York geboren, ist heute einer der angesehensten Photographen Amerikas in der Tradition der großen Dokumentaristen.
