Hans Baldung Grien, der begabteste Schüler Dürers, zählt zu den herausragenden Malern der Renaissance in Deutschland. Gegenstand dieses Bandes sind acht Marienbilder, die in der »Zweiten Straßburger Zeit« des Malers (1517-1545) entstanden sind. Untersucht wird der Einfluss des christlichen Humanismus und der Reformation auf die Kunst Baldung Griens. Vor diesem Hintergrund können die komplex angelegten Bilder neu gedeutet werden. Dabei wird zunächst die Stellung der Reformatoren zum Marienbild dargelegt. Obwohl die Reformation 1524 in Straßburg offiziell eingeführt worden war, blieb die Stadt Sammelbecken unterschiedlicher religiöser und geistiger Strömungen, mit deren Vertretern Baldung in regem Austausch stand. Dazu zählte auch ein humanistisch orientierter Freundeskreis, der eine Vorliebe für die »pagane« Welt der Antike pflegte. Maria war Patronin und Bürgerheilige Straßburgs und spielte in dieser Funktion eine kaum zu überschätzende Rolle. An Baldungs Marienbildern wird Kontinuität und Wandel in ihrer Darstellung vor und nach Einführung der Reformation aufgezeigt. In den komplex angelegten Bildern provoziert der Maler vielschichtige Deutungsmöglichkeiten und verlässt die gewohnten Pfade der marianischen Bildtradition. Zugleich demonstriert Baldung mit seinen Bildwerken eine hoch entwickelte »ars docta«, durch die sich nordalpine Künstler anhand christlicher Themen ihren antiken Vorbildern als ebenbürtig zu erweisen suchten.