»Wirklich, ich lebe in finsteren Zeiten!«, beginnt Bertolt Brecht sein 1939 im Exil veröffentlichtes Gedicht »An die Nachgeborenen«. Die Kunst, sagt der Dichter, darf sich nicht länger vor aktuellen Themen verschließen und muss nach einer Sprache suchen, die ihrer Zeit angemessen ist. Sie muss die Bedrohung durch Diktatur und Unterdrückung deutlich benennen. Brechts Verse scheinen heute so aktuell wie vor knapp 100 Jahren. Sandra del Pilar nimmt in ihren Arbeiten häufig aktuelle Ereignisse auf, die sie in vielteiligen Bilderserien oder breit angelegten, interdisziplinären Projekten aufarbeitet. Ihre Bilder verhandeln den Tod von Osama bin Laden, die Frauenmorde von Ciudad Juárez, die Folter in Abu Ghraib und Guantánamo. In Siegburg arbeitete die Künstlerin mit jungen Strafgefangenen. Ihre Werkreihe »Hexen« setzt das Schicksal von Menschen ins Bild, die in früheren Jahrhunderten in Westfalen als ebensolche verfolgt wurden. In einem weiteren Sinne kreisen ihre Themen häufig um Fragen der Macht: die Macht der Deutungshoheit, die Macht der Gewalt, die Macht des Sichtbarkeitsregimes. Das Bild als Medium wird dabei immer mitgedacht. Es ist Teil der Aussage, die Sandra del Pilar mittels ihrer technisch hochkomplexen Malerei erfahrbar macht. Dieses Buch lenkt den Blick auf eine interessante Position der zeitgenössischen Malerei, die selbstsicher und ästhetisch präzise die Themen unserer Zeit ins Bild setzt und reflektiert. Vielschichtige, facettenreiche Beiträge nähern sich ihrem bisherigen Schaffen aus unterschiedlichen Perspektiven und stellen die Frage danach, welche Möglichkeiten die Kunst heute hat, gesellschaftlich zu wirken. Herausgegeben von Christian Philipsen, Thomas Bauer-Friedrich und Manja Wilkens. (Ausstellungsdauer: 21.7. - 3.10.2024 Kunstmuseum Moritzburg Halle)