Eine exquisite kleine Gruppe dickwandiger Glasbecher mit streng stilisiertem Reliefdekor beschäftigt die Glashistoriker seit mindestens anderthalb Jahrhunderten. Die Gläser fanden sich ausschließlich in Kirchen und Palästen und erreichten durch ihre Assoziation mit der hl. Hedwig zum Teil selbst den Status religiöser Reliquien. Doch trotz zahlreicher Hypothesen und Untersuchungen über Zeit und Ort ihrer Herkunft, blieben die Hedwigsbecher bis heute stilistisch wie technologisch und historisch eine mysteriöse Erscheinung. Die Ausstellung »Nobiles Officinae« im Kunsthistorischen Museum in Wien (2004) brachte mit ihren Exponaten und deren wissenschaftlicher Aufarbeitung überraschend neue Einsichten für dieses ungelöste Rätsel. Im Sizilien des 12. Jahrhunderts fand sich ein geistiges, künstlerisches und handwerkliches Umfeld, das verschiedene Eigenheiten der Gläser erklären kann. Von besonderer Bedeutung sind in diesem Zusammenhang die Erkenntnisse und Hypothesen von Rudolf Distelberger über die Objekte aus Hartstein und Bergkristall. Tatsächlich lieferten die Untersuchungen der Autorin unter den neuen Aspekten überraschend deutliche Indizien für eine Entstehung der Hedwigsbecher im normannisch-staufischen Sizilien. Nach chronologischen und technologischen Überlegungen gaben dafür vor allem stilistische und ikonographische Gesichtspunkte den Ausschlag. Erstmals wurde eine plausible Deutung des heraldischen Dekors ermöglicht. Historische Ereignisse liefern die Erklärung, weshalb man die kostbaren Becher überwiegend in Mitteleuropa findet - und schließlich wird sogar verständlich, warum die Becher in den Familien des Hochadels bis in die Neuzeit reihum ausgeliehen wurden, wenn eine Geburt bevorstand.