Klaus Böldl bietet zum ersten Mal einen fundierten religionsgeschichtlichen Überblick sowohl über die Quellenlage als auch über die lange Rezeptionsgeschichte des »dunklen« Gottes vom Mittelalter bis heute. In den Zeugnissen aus der Wikingerzeit lässt sich Odin noch nicht in allen Details erfassen, eine deutlichere Gestalt nimmt der Gott erst in der isländischen Saga-Literatur des Mittelalters an. Gerade in den Liedern der «Edda» finden sich einige der bekanntesten Odin-Mythen literarisch ausgestaltet - Skaldenmet, Götterdämmerung, seine beiden Raben oder seine Einäugigkeit. Seit dem späten 18. Jahrhundert wurde Odin dann in Abgrenzung zum romanischen Kulturkreis und zum Christentum immer stärker zum Nationalgott der Deutschen stilisiert, die Spur führt hier von Jacob Grimm über Wagners «Der Ring des Nibelungen» bis zu C. G. Jung. Vor allem durch die weite historische Perspektive entlarvt Klaus Böldl diese Instrumentalisierung des Gottes als identitätspolitische Konstruktion, die jedoch bis heute in der Heavy-Metal-Szene, bei Wikinger- und Mittelalterbegeisterten, bei Esoterikern und Neuheiden sowie in rechten und rechtsextremen Milieus gepflegt wird.