Der Film setzt an, wo »SHOAH« (1986) endete: beim jüdischen Widerstand. Der Titel verweist auf Ort, Tag, Monat, Jahr, Stunde des einzigen jemals gelungenen Aufstands in einem Vernichtungslager der Nationalsozialisten. Damit wäre aber auch die entscheidende Differenz zu »SHOAH« benannt. Denn während Lanzmann die Zeugen in »SHOAH« als Wiedergänger begreift, die aus dem Reich der Toten berichten, sehen wir in »Sobibor« einen Überlebenden im emphatischen Wortsinn: Yehuda Lerner war 16 Jahre alt und bereits aus acht Lagern geflohen, als er dem SS-Aufseher namens Graetschus mit einer Axt den Schädel spaltete. Er handelte im Rahmen eines Aufstandsplans, nach dem eine Gruppe Häftlinge des Vernichtungslagers Sobibor am besagten Tag, zu besagter Stunde gegen die SS aufbegehrten. Die Deutschen waren pünktlich, der Plan ging auf: Einige hundert Häftlinge entkamen, der »Betrieb« des Todeslagers wurde eingestellt und ein Wäldchen gepflanzt. »Ein Lebender geht vorbei«: Maurice Rossel, ein Offizier der Schweizer Armee, der während des Zweiten Weltkriegs als Delegierter des Internationalen Roten Kreuzes in Berlin stationiert gewesen war, wollte Claude Lanzmann nicht empfangen. So überrumpelte ihn Lanzmann mit einem Überraschungsbesuch, bei dem dieses Filmgespräch in höchst gespannter Atmosphäre zustande kam. Als einziger Delegierter hatte Rossel nämlich schon 1943 das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz besucht. 1944 war er dann nach Theresienstadt gereist und den Täuschungsmanövern der SS aufgesessen, wie sein damals verfasster offizieller Bericht über das »Vorzeigelager« beweist.