Die Münchner Ausstellung bietet eine Revision des immer noch weit verbreiteten Künstlermythos Schiele und eröffnet einen neuen Zugang zu seinem Werk: Der Schwerpunkt soll von der Biografie auf die Kunst in ihrem zeitgenössischen Kontext gelenkt werden. Dank einer umfassenden Auswahl von Aquarellen und Zeichnungen aus dem Bestand der Wiener Albertina - der weltweit bedeutendsten Sammlung von Schieles Werken auf Papier - können alle grundsätzlichen Themen seiner Kunst aufgezeigt werden. Die Auseinandersetzung mit der Krise des Individuums um 1900, die der Literatur- und Kulturtheoretiker Hermann Bahr unter dem Motto »Das unrettbare Ich« zusammenfasste, nimmt dabei eine herausragende Stellung ein. Zentraler Gesichtspunkt ist die Ideenwelt Schieles: Thematisiert werden Fragen der Identität und des Naturverständnisses sowie seine Reflexionen über Wahrnehmungsprozesse, bei denen der bislang noch nicht untersuchte Einfluss japanischer Farbholzschnitte eine Rolle spielt. (Wienand)